Investment-Ansichten September 2013

Oh je! Gibt‘s auch eine Welt außerhalb von Washington D.C.?

Mit dem Ausgleichen des Haushalts verhält es sich genauso wie mit dem In-den-Himmel-Kommen. Jeder möchte es, aber keiner möchte tun, was dafür nötig ist. – Phil Gramm, Wirtschaftswissenschaftler und Politiker, als Vorsitzender des US-amerikanischen Senate Banking Committee in einem Fernsehinterview 1990

Die 20 führenden Wirtschaftsmächte der Welt und ein paar Vertreter anderer Länder versammelten sich vor ungefähr einer Woche in St. Petersburg zum alljährlichen G20-Treffen.

G20-Treffen sind gewöhnlich relativ nutzlose Zusammenkünfte, bei denen eine Partei versucht, in irgendeiner Form etwas ratifiziert zu bekommen, während die anderen Mitglieder scheinbar damit zufrieden sind, miteinander zu plaudern. Das beherrschende Thema in St. Petersburg war die Situation in Syrien. Wie groß der Druck auf Öl- und Goldpreise wird, hängt davon ab, wie aggressiv die USA, Russland und China über die Möglichkeit einer Intervention sprechen.

In den USA wird die Regierung ihre Schuldengrenze erreichen und am 1. Oktober beginnen, alle nicht unbedingt erforderlichen staatlichen Einrichtungen zu schließen. Die republikanische Partei, die mit ihrer heftigen Ablehnung gegenüber Präsident Obama nicht hinter dem Berg hält, versucht, die demokratische Regierung zu erpressen, indem sie ein 12-monatiges Moratorium für die im Rahmen der Gesundheitsreform geplanten Ausgaben für arme US-Bürger fordert. Diese Ausgaben waren 2010 beschlossen worden und sind Teil von Obamas Wahlversprechen. Die Auswirkungen auf die US-amerikanischen Aktienmärkte werden wahrscheinlich verschwindend gering sein, da US-Unternehmen noch immer hohe Gewinne erzielen und die Aktienpreise derjenigen, die abhängig vom Profit Dividenden ausschütten, weiter steigen werden. Sie stellen also eine durchweg seriöse Investionsmöglichkeit dar. In der Zwischenzeit wird der aktuelle Kongress bis zur nächsten Zwischenwahl lediglich weiter seine Unfähigkeit zur Schau stellen. Alles hängt davon ab, wie lange der Zwangsurlaub der US-Beamten anhält.

Die Republikaner im Kongress haben aus der Haushaltskrise Ende 2012 nichts gelernt und ihre fanatische Bereitwilligkeit, die Vereinigten Staaten von der Fiskalklippe stürzen zu sehen, kann man nicht anders als suizidal beschreiben. Es ist wirklich nicht verwunderlich, dass die Republikaner bei kürzlichen Gallup-Meinungsumfragen weniger als 10 % Zustimmung erhalten haben. Das ist weniger als die potenzielle Zustimmung für ein kommunistisches Regime an der Spitze der USA, ja liegt sogar unterhalb der Popularitätswerte für ekelhafte Insekten wie Kopfläuse und Kakerlaken.

Ihre Einwände gegen die politische Linie haben nichts mit dem Wohl des Landes zu tun, sondern vielmehr damit, dass alle Vorschläge aus Prinzip abgelehnt werden. Die Tea-Party-Fraktion der Republikaner machte nach außen noch nie wirklich den Eindruck, dass sie eine Erfolgsstrategie hat. Es gibt beunruhigende Anzeichen dafür, dass die Fiskalklippe, also die vom Kongress für die US-Regierung festgesetzte Schuldengrenze, spätestens Ende Oktober oder Anfang November schlimme Folgen haben wird.

Das angedrohte Tapering, sprich die Reduzierung der monatlichen Anleihekäufe im Wert von 85 Milliarden US-Dollar, fand nicht statt. Dr. Bernanke deutete an, dass die Verbesserung der Arbeitslosenzahlen solch eine Maßnahme erlauben würden, allerdings wurde die wirkliche Schwäche der Wirtschaft anhand der Zahlen für Käufe von neuen Häusern deutlich, die schlechter als erwartet ausfielen, und so wurden alle Pläne zur Beendigung des Programms erst einmal auf Eis gelegt.

Betrachtet man die Welt als Ganzes, ist zwar viel passiert, aber nur wenig, das eine dramatische Wirkung auf die Investmentmärkte haben wird.
1. Angela Merkels CDU gewann die Bundestagswahl in Deutschland mit einem besseren Ergebnis als beim letzten Mal. Jedoch fehlten der CDU 5 Stimmen zur absoluten Mehrheit, weshalb nun ein Koalitionspartner gefunden werden muss. Der Preis dafür, regieren zu dürfen, werden also unvermeidliche politische Kompromisse sein. Die Auswirkungen auf Anleger sind nicht der Rede wert, da die meisten Parteien letzten Endes den Weg der Stabilität vorziehen werden und momentan niemand eine Koalition mit der Linken oder den ehemaligen Kommunisten möchte.
2. In den Schwellenländern, besonders China, ist die Situation unsicher. Dem bloßen Anschein nach verlangsamt sich das Wachstum in China von 8,0 auf 7,5 %. Diese Zahlen lassen aber nicht erkennen, dass die chinesische Wirtschaft sich von einer Wirtschaft, die von Investionen in die Infrastruktur getrieben wird, in eine viel stabilere verwandelt, nämlich eine, die auf der steigenden Verbrauchernachfrage basiert. Indien hat nach wie vor mit Korruption zu kämpfen und in Indonesien ist die Spekulationsblase geplatzt. Solange die US-Notenbank profitable Anlagemöglichkeiten bietet und somit kostengünstige Liquidität zur Verfügung stellt, kann das finanziert werden – aber das wird nicht ewig der Fall sein.
3. Andere asiatische Länder wie Indonesien und sogar die Türkei machen im Moment mit großen Handelsdefiziten einen beängstigend schwachen Eindruck. Falls die USA tatsächlich anfangen, ihre Anleihekäufe herunterzuschrauben, könnten sich diese Länder nicht mehr so günstig refinanzieren, wodurch die wirtschaftlichen Aussichten stark getrübt würden und das Risiko bestünde, dass Investoren einen Bogen um ihre Anleihen machen.
4. Der Einsatz chemischer Waffen gegen Zivilisten in Syrien und die Antwort des Westens darauf haben dazu geführt, dass Anleger mit ihren Investitionen in den Schwellenländern insgesamt weniger Risiko eingehen. Es ist unklar, welches Lager in Syrien die chemischen Waffen tatsächlich eingesetzt hat. Das Regierungslager hat einige mächtige Männer, die nur dem Namen nach der Kontrolle des Präsidenten Assad unterstehen. Er kann daher abstreiten, diese Waffen eingesetzt zu haben, während er zu erwähnen vergisst, dass andere in seinem Lager ihren Einsatz mit Leichtigkeit veranlasst haben könnten. Es scheint unwahrscheinlich, dass die USA Syrien allein angreifen müssen (was für Präsident Obama eine große Erleichterung sein dürfte). Die „rote Linie“ ist durch vage Drohungen und Genuschel ersetzt worden, ohne dass die amerikanische Würde dabei zu Schaden gekommen wäre.

Wieder bekommen es die Anleger mit der Angst zu tun. Es ist unangenehm, aber wenn man nicht sicher ist, was man als Nächstes tun soll, und keine Alternative in Sicht ist, erscheint es vernünftig, einfach in Angststarre zu verfallen.

Japan scheint aus 25 Jahren politischen Herumeierns zu erwachen. Früher war Japan ein stolzes wirtschaftliches Machtzentrum und jetzt versucht das Land nun endlich mit Hr. Abe und einer stabilen und mutigen Regierung an der Spitze kleine Wachstumsraten und Deflation zurückzulassen. An Potenzial mangelt es Japan nicht, aber trotzdem sollten Anleger zunächst am Besten erst einmal abwarten und sehen, wie sich die Situation entwickelt. Denn Erster in diesem speziellen Bereich zu sein, könnte seinen Preis haben.

In Europa ist klar, dass jetzt, wo Kapital wieder aus den Schwellenländern abgezogen wird und negative Stimmung die Oberhand hat, viele Investoren die Gelegenheit ergreifen, ihre Beteiligung in den Schwellenmärkten, insbesondere Asien, zu überdenken.

Als europäischer Anleger bin ich aber der Meinung, dass Investoren Verluste auf die gleiche Weise handhaben sollten wie das in der Chefetage vieler der erfolgreichsten europäischen Unternehmen der Fall ist; und zwar sollten sie die Gelegenheit nutzen, ihre aktuellen Anlagen unter die Lupe zu nehmen und sicherzustellen, dass sie in die wachstumsstärksten Bereiche des asiatischen Marktes investiert sind. Je länger und tiefgehender der Abwärtstrend, desto attraktiver die Gelegenheit, da sich in vielen Märkten gute Anlagemöglichkeiten eröffnen. Auch wenn die Herausforderungen im Moment größer geworden sein mögen, hat Asien doch die Fähigkeit, gute längerfristige Renditen abzuwerfen, wenn die „Taper Tantrums“ (die Munkeleien über die Reduzierung der US-amerikanischen Anleihekäufe) verstummen und der Kurs der Politik weltweit gegen Ende des Jahres klarer wird.

Erpressung scheint im Moment im Trend zu sein. Der ehemalige Ministerpräsident Italiens, Silvio Berlusconi, versucht sich den Konsequenzen einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung zu entziehen und damit der Tatsache, als verurteilter Straftäter aus dem italienischen Senat geworfen zu werden. Zunächst drohte er der bestehenden Regierung mit einem Sturz, falls sie es ihm nicht irgendwie ermögliche, seinen Sitz zu behalten. (Unserer Erfahrung nach ist Hr. Berlusconi davon überzeugt, dass all die Regeln, die für Normalsterbliche gelten, nicht auf ihn zutreffen.)

Die europäischen Volkswirtschaften scheinen sich zu erholen – wenn auch unsicher und ungleichmäßig. Ungleichmäßig, weil die nördlichen Staaten wie Deutschland gut dastehen, die Olivenöl-Staaten aber viel schwächer sind, obwohl zum Beispiel Griechenland vor Kurzem mit deutlich gestiegenen Touristenzahlen in diesem Sommer aufwarten konnte.

Fazit
Ist nicht Ziel eines jeden Anlegers, Profit zu machen? Dann ist für emotionale Spekulationen kein Platz und eine kontinuierliche Zusammenarbeit mit Vermögensverwaltern, die erwiesenermaßen mit Risiken umgehen können, unerlässlich.

Aktien haben großes Potenzial, und auch Anleihen können in ein Portfolio aufgenommen werden, allerdings nur, wenn sie eine effiziente Mischung aus Risiko und Ertrag darstellen.

Jeder Markt hat Potenzial, aber es braucht einen Experten, um Gold zu finden, wo andere nur Schlamm sehen.

Die vergangene Performance ist keine Garantie für zukünftige Profitabilität.

John Townsend steht Kunden von Matz-Townsend Finanzplanung bei der Investment-Portfolio-Planung beratend zur Seite.
Er ist Fellow des Chartered Institute for Securities and Investment in London.
(Townsend@insure-invest.de)

Aus dem Englischen von Magdalena Adam