Die chinesische Grippe kann ansteckend sein

Hört auf, China die Schuld zu geben; wir haben es den Chinesen schließlich vorgemacht. – Tom Galey, Professor der Wirtschaftswissenschaften

Die chinesische Grippe kann ansteckend sein

An den Aktienmärkten spielt oft die Marktstimmung eine genauso große Rolle wie die Logik. Die Stimmung dort in den letzten Tagen war panisch – oder zumindest nahe daran. Das hat kaum oder gar nichts mit Griechenland oder der bevorstehenden Zinssatzerhöhung der US-Notenbank zu tun, sondern es ist eher so, dass die chinesische Regierung Emotionen ausgelöst hat, die vollkommen unerwartet und unbeabsichtigt waren.

Die chinesische Zentralbank hat – ermutigt durch den internationalen Währungsfonds und somit der US-Regierung – begonnen, die chinesische Währung, den Renmimbi Yuan bzw. RMBY frei floaten zu lassen. Das bedeutete unweigerlich, dass der RMBY-Wert zunächst gegenüber anderen internationalen Währungen fiel; das Ergebnis ist eine große Angst unter den Anlegern. Die Chinesen möchten, dass der RMBY eine Reservewährung wird, wie der US-Dollar, der Schweizer Franken und (teilweise) der Euro. Dieses Streben hat meiner Meinung nach mehr mit Prestige als Logik zu tun.

Gleichzeitig verzeichneten die Aktien, die auf den chinesischen Inlandsaktienmärkten in Shanghai und Shenzhen gehandelt werden (die „A“-Aktien), große Kurseinbrüche. Inländische chinesische Investoren – die einzigen, die in diese Aktien investieren durften – hatten Aktien häufig mit Margins gekauft, bei denen der Restbetrag des Kaufpreises als Darlehen aufgenommen wurde. In einem aufsteigenden Markt kann das positiv sein, bei absteigenden Märkten dagegen verheerend. Die chinesische Zentralbank ist dazu übergegangen, die extravagante Verleihpraxis an ihre Inlandskunden zu verringern, war allerdings jetzt gezwungen die Zinssätze zu senken als Zeichen dafür, dass sie die Binnenwirtschaft unterstützt. Außerdem diente diese Aktion dazu, die Neuigkeit zu verbreiten, dass die chinesische Wirtschaft 2015 vermutlich „nur“ um ca. 6 % wachsen wird.

Auch so reduziertes Wachstum würde unter anderen Umständen als gut empfunden werden; aber der wackelige Markt, den die Veränderungen innerhalb Chinas nicht im Geringsten verstehen, hat kalte Füße bekommen.

Infolgedessen hat der internationale chinesische Aktienmarkt (die „H“-Aktien), deren Aktien in Hongkong gehandelt werden, Verluste erlitten, allzu oft durch panische Investoren aus Übersee, die den Unterschied zwischen den beiden Märkten nicht verstehen.

China entwickelt sich bewusst von einer Wirtschaft, die durch Investitionen in die Infrastruktur angetrieben wird, in eine Wirtschaft, deren Motor die Verbrauchernachfrage ist. Das ist nachvollziehbar und richtig, aber die Veränderung an sich wird, bevor sie abgeschlossen ist, zu einem anderen Wachstumsmuster der Wirtschaft führen.

Die Belastungen, die von China ausgehen, haben auch die internationalen Aktienmärkte beeinträchtigt. Es besteht die Angst, dass die Exporteure aus dem Westen und aus den aufsteigenden Märkten, die große Vertriebe in China aufgebaut haben, leiden werden, wie auch deren Zulieferer. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass die Realität mittel- oder langfristig gesehen genau gegenteilig aussieht, weil chinesische Verbraucher noch mehr Gelegenheit bekommen werden, selbst zu wählen, welche internationalen oder inländischen Waren sie kaufen. Das gilt im Großen und Ganzen auch für Energie, industrielle Produkte und Agrarrohstoffe. Im Klartext heißt das, dass die Chinesen weiterhin Importe tätigen werden müssen.

Außerdem ist es so, dass die Zinssätze in den meisten westlichen Ländern fast auf Null gefallen sind. Das ist für diejenigen, die sich Geld leihen, wunderbar und sie werden so viel billiges Geld leihen wie nur möglich; doch vergessen sie dabei, dass solch hohe Schulden schwer zurückzuzahlen sind, wenn die Zinssätze wieder steigen.

Die US-Notenbank hat verlauten lassen, dass sie die Zinssätze im September 2015 wieder ein klein wenig anheben will – unter dem Vorbehalt, dass es keine zu Verzögerungen führenden Katastrophen gibt. Das Augenmerk lag zunächst auf den US-amerikanischen Arbeitsmärkten, aber diese scheinen stabil genug zu sein. Die Frage ist nun, ob die Unruhe in den internationalen Aktienmärkten eine Verzögerung zur Folge haben könnte. Der Erfahrung nach nicht, aber das Ruder befindet sich in neuer Hand.

Die Aufmerksamkeit gilt nicht länger Griechenland, was schade ist, weil dort noch nichts geregelt ist und noch viel schiefgehen kann. Die Tsipras-Regierung hat abgedankt und zu Neuwahlen aufgerufen in dem Versuch, mehr Unterstützung im griechischen Parlament zu bekommen. Dreißig Parlamentsmitglieder des linken Flügels verließen prompt die Partei, um ihre eigene separate Bewegung zu bilden. Wozu das schlussendlich führt, steht in den Sternen. Ich bin noch immer der Meinung, dass Griechenland versuchen wird, eine Reduzierung seiner schrecklich hohen Schulden zu erreichen, indem es den Euro aufgibt und eine Reduzierung der Schulden fordert (durch einen Schuldenschnitt von 50 % oder mehr). Das ist reine Spekulation, aber ein anderer Ausweg ist schwer vorstellbar.

Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um in die großen Aktienmärkte zu investieren, während die Kurse so künstlich niedrig gehalten werden. Vielleicht widerstrebt einem diese Aktion, sie ist aber nicht zwangsläufig über Gebühr riskant.

Die vergangene Leistung ist keine Garantie für zukünftige Profitabilität.

Für Matz-Townsend Finanzplanung steht John Townsend Kunden bei der Planung ihrer Investmentportfolios beratend zur Seite. Er ist ein Fellow (FCSI) des Chartered Institute of Securities and Investment in London (Townsend@insure-invest.de).

Aus dem Englischen von Magdalena Mandl