„Taper Tantrums“ – Alles Ende ist schwer

Selbst Tage nach dem Tod wachsen die Haare und Fingernägel noch; Anrufe jedoch werden schnell zu „Tapering“-Opfern, d. h. ihre Anzahl nimmt ab. – Johnny Carson

Das Vokabular von Investoren ist um einen Begriff reicher: Tapering.

Gemeint ist damit das Auslaufen des Anleiheaufkaufprogramms seitens der US-Regierung.

Ben Bernanke, der Vorstandsvorsitzende der Federal Reserve in den Vereinigten Staaten (auch US-Notenbank genannt), gab in einer Rede am 19. Juni 2013 an, dass Amerika bald beginnen würde, die Anzahl der Anleihen zu reduzieren, die es im Rahmen von QE 3, dem jüngsten Quantitative Easing-Programm (zu Deutsch: „Programm zur quantitativen Lockerung“), kauft, bevor es diese Käufe möglicherweise Ende 2014 ganz einstellt.

Die Investmentmärkte reagierten panisch, dachten nicht lange nach, und veranlassten über das Internet den Verkauf vieler festverzinslicher Anleihen, ohne die Warnungen, die in Dr. Bernankes Stellungnahme mitschwangen, auch nur entfernt wahrzunehmen. Genau das war zu erwarten gewesen, aber niemand wusste, wann es so weit sein würde. Michael Hasenstab von der amerikanischen Fondsgesellschaft Franklin Templeton hat den Begriff „Taper Tantrum“ dafür geprägt. Dabei handelt es sich um ein Wortspiel mit „Temper Tantrum“, das den Wutanfall von Kindern bezeichnet, wenn sie nicht bekommen, was sie wollen. Es sei aber betont, dass dem „Taper Tantrum“ nicht Wut, sondern viel mehr Ignoranz zugrunde liegt. Warum eine gute Geschichte mit Fakten verderben?

Gleichzeitig konnte man den Wirtschaftsdaten in China eine relative Abschwächung des Wachstums der chinesischen Wirtschaft in Verbindung mit einer Verschärfung der Regeln in Bezug auf den unregulierten Kreditsektor entnehmen. All das war keine Überraschung, aber trotzdem verursachte es Unruhe – und das, obwohl in China der allmähliche Übergang von einer Wirtschaft, die von Investitionen in die Infrastruktur getrieben wird, zu einer Wirtschaft, deren Motor die Verbrauchernachfrage ist, bereits seit einiger Zeit offensichtlich war.

Da er die Panik ausgelöst hatte (in Wahrheit aber hatte Dr. Bernanke seine Rede erst gehalten, nachdem die asiatischen Märkte den Abschwung bereits angetreten hatten), gab sich Dr. Bernankes Team einige Mühe zu erklären, dass er eigentlich Folgendes gemeint hatte: Sollten die Arbeitslosenzahlen in den USA es erlauben, werde die Fed ihre Anleihekäufe langsam zurückschrauben. Und das ist noch nicht alles. Es sei außerdem eindeutig zu früh, ähnliche Programme in Europa wie auch im Vereinigten Königreich auslaufen zu lassen. Es spielt keine Rolle, dass die jüngsten Wirtschaftsdaten aus Deutschland und dem Vereinigten Königreich weitgehend positiv sind, denn Südeuropa ist noch immer bestenfalls sehr wackelig auf den Beinen.

Wirtschaftsexperten sehen den Grund für das Chaos darin, dass sich auf den Märkten die Änderung der US-Geldpolitik jetzt schon deutlich auf die Preise auswirkt, obwohl sie faktisch noch überhaupt nicht umgesetzt wurde. In den USA erwartet man steigende Zinssätze, die die Kapitalflüsse in die Schwellenländer, und zwar insbesondere in die ertragsstarken Anleihemärkte, umkehren werden.

Dem müssen wir entgegenwirken!

Die Volkswirtschaften, die am ehesten darunter leiden werden, sind die, die große Leistungsbilanzdefizite aufweisen und somit am meisten von Investitionen im Ausland aus sogenannten „Hot Money“-Quellen abhängig sind. So hat es zum Beispiel die Ukraine, die Türkei, Südafrika und Indien schwer getroffen. Außerdem leiden Unternehmen eher unter Liquiditätseinschränkungen als Regierungen. Laut dem Forschungsinstitut Economist Intelligence Unit refinanzieren Kreditnehmer aus der Industrie ihre Schulden häufiger als Regierungen.

Eine eingeschränkte Liquidität hat viel höhere Kosten zur Folge und Unternehmen, die sich ans Geldausgeben und Kreditaufnehmen gewöhnt haben, werden sich wieder wie in alten Tagen zurückhalten müssen. Dazu kommt noch, dass das verfügbare Geld viel kürzere Laufzeiten haben wird als in der Vergangenheit. Regierungen, die mit sozialen Unruhen zu kämpfen haben, werden auch feststellen, dass es immer schwieriger wird, neue Schulden zu machen. All das ist Zukunftsmusik, aber das ist (in den Augen eines panischen Marktes) keine Rechtfertigung dafür, jetzt nicht in Panik zu verfallen.

Die Schwellenmärkte – sowohl Regierungen als auch Unternehmen – haben sehr hohes Investitionspotenzial und sollten in allen Portfolios – die konservativsten ausgenommen – enthalten sein. Es ist jedoch unbedingt notwendig, sich Unterstützung von den besten Managern mit professionellen Rechercheteams zu holen, um die Risiken am vorteilhaftesten zu nutzen.

In China (so Professor Xiaozu Wang in der South China Morning Post) sollte die Angst vor einer Einschränkung von Bankkrediten im Grunde als eine Knappheit von Eigenkapital durch Aktien zur Befriedigung der Kapitalnachfrage angesehen werden.
Letzte Woche ging den chinesischen Banken das Geld aus. Sie hatten Schwierigkeiten die nötigen Mittel zu finden, um ihre ordnungspolitischen Liquiditätsvorschriften zu erfüllen und die Kreditzinssätze für Tagesgeld stiegen kurzzeitig auf über 30 %. Die ganze Welt hielt den Atem an und sorgte sich um die Stabilität der chinesischen Banken. Es wurden Rufe nach einer Erhöhung der Eigenkapitalquote chinesischer Banken laut.

Die Wahrheit ist schlicht und einfach, dass die chinesischen Banken ihre Liquidität schlecht verwaltet hatten und sie der Zentralbank die Überwachung der Kreditgeschäfte nicht zutrauten. Genauso wie im Westen begannen Banken, dynamische Kredite zu vergeben, weil es toleriert wurde. Chinesische Unternehmen sind schneller gewachsen als ihre Kapitalbasis. Deshalb blieb ihnen nichts anderes übrig, als schlicht und einfach Schulden zu machen. Das funktioniert gut, solange die Banken Kredite vergeben können und somit kontinuierlich die Mittel für ihre Kredite refinanzieren. Auch wenn man in China nicht von einer Kreditkrise spricht, so haben Banken doch eine zunehmende Anzahl von notleidenden Kreditpositionen in ihren Bilanzen. Das ist im Augenblick vertretbar, aber gesetzt den Fall, dass Kredite plötzlich nicht mehr so leicht verfügbar sind, würden Investitionen in produktive Unternehmen sofort beeinträchtigt – und das wäre für das zukünftige Wachstum fatal.

Die chinesische Regierung hat Aktienkapital noch nicht zu einer Priorität gemacht. Mit zunehmendem Unternehmenswachstum und immer teureren Schulden wird irgendwann kein Weg mehr daran vorbeiführen.

In der Zwischenzeit haben der amerikanische und der europäische Markt beschlossen, dass der Boom in China vorüber ist, und zwar basierend auf der Tatsache, dass das chinesische Wirtschaftswachstum einen leichten Rückgang auf 7,5 % pro Jahr verzeichnet hatte. Es ist einfach, solche Mutmaßungen anzustellen, wenn man in den Finanzzentren von London und New York sitzt. Die Wahrheit aber ist, dass die chinesische Wirtschaft langsam immer weniger von großen Investitionen in die Infrastruktur angetrieben wird, sondern immer mehr zu einem System wird, das auf der inländischen Verbrauchernachfrage basiert (und damit stabiler ist).

China hat noch immer großes Wachstumspotenzial und wird noch viele Gelegenheiten für Investitionen bieten; die Quellen werden sich immer mehr von denen der Vergangenheit unterscheiden. Das ist etwas, mit dem sich Börsenhändler (die vielleicht nicht einmal genau wissen, wo China überhaupt ist) abfinden werden müssen, wenn die Zeit gekommen ist.

Letztendlich befinden wir uns in einer neuen Ära der Unbeständigkeit, die unweigerlich zu Unsicherheit führt – ein Graus für jeden Investor! Die Investmentmärkte haben auf diese Unsicherheit überreagiert und den Kopf in den Sand gesteckt. Aber der Trend wird, wie ein Pendel, zu der Stelle zurückkehren, an der er begonnen hat.

Unternehmensanleihen, besonders die von führenden profitablen Unternehmen, die in den internationalen Märkten aktiv sind, stellen nach wie vor eine gute Investition dar. So ziemlich das Gleiche kann man über das Eigenkapital dieser Firmen sagen. Diese beiden Investitionsmöglichkeiten hängen sehr eng zusammen, wobei der Eigenkapitalertrag normalerweise höher ausfällt.
Wer vor der aktuellen Marktlage keine Angst hat und an die Zukunft glaubt, wird von der aktuellen Unsicherheit profitieren.

Die vergangene Performance ist keine Garantie für zukünftige Profitabilität.

John Townsend steht Kunden von Matz-Townsend Finanzplanung bei der Investment-Portfolio-Planung beratend zur Seite.
Er ist Fellow des Chartered Institute for Securities and Investment in London.
(Townsend@insure-invest.de)Aus dem Englischen von Magdalena Adam

Völkerbund 2.0 Mai 2013

Der Völkerbund ist sehr gut, wenn die Spatzen schreien, aber sinnlos, wenn Adler sich entzweien. – Benito Mussolini, italienischer Diktator

Der erste Völkerbund entstand nach dem Ersten Weltkrieg mit dem Ziel, durch kollektive Sicherheit den Weltfrieden zu gewährleisten und internationale Streitigkeiten durch Verhandlungen und Schiedsverfahren beizulegen. Obwohl er auf seinem Höhepunkt 58 Mitglieder hatte, versagte er auf ganzer Linie. Er war nämlich nicht imstande mehr zu tun, als Konferenzen abzuhalten, und weigerte sich, Sanktionen zu verhängen, die seinen führenden Mitgliedsstaaten missfielen. Letztlich konnte er den Zweiten Weltkrieg nicht verhindern.

Die Europäische Union wächst zwar stetig, ist aber gleichzeitig unfähig, verbindliche Entscheidungen zu treffen. Die Bedürfnisse und Interessen ihrer Mitgliedsstaaten sind zu vielfältig; was mit Deutschland und seinen Überzeugungen – ob wirtschaftlich, finanziell oder diplomatisch – übereinstimmt, stimmt allzu oft nicht mit den Vorstellungen der Mitglieder des südlichen Blocks überein. Daher werden keine Entscheidungen getroffen, die Wirtschaft wächst nicht und es kann keine Richtung beschlossen, geschweige denn eingehalten, werden.

Europa bietet in Bezug auf europaweite wirtschaftliche und soziale Statistiken ein klägliches Bild. In der Tat geht es dem nördlichen Block nicht schlecht. Dafür befindet sich aber der südliche Block in einer viel schlimmeren Lage, als selbst die größten pessimistischen Berichte vermuten lassen. Die Arbeitslosigkeit in Spanien und Griechenland ist katastrophal hoch, und wird immer schlimmer, und die italienische Wirtschaft ist ein einziges Durcheinander.

Was bedeutet das?

Ehrlich gesagt, wahrscheinlich überhaupt nichts. Es ist eine altbekannte Gewohnheit, kurzfristigen Daten zu viel Bedeutung beizumessen, als ob sie der Beginn des nächsten doppelten, dreifachen oder auch vierfachen Dips wären. Panik-Maßnahmen, die ergriffen werden, bleiben in der Regel ohne Wirkung.

Europäische Regierungen haben jetzt den zweifelhaften Ruf, absolut unfähig zu sein, nennenswerte Entscheidungen zu treffen. Sie fordern eine stärkere Regulierung der Kapitalmärkte, vergessen dabei aber, dass diese Märkte bereits stark reguliert sind. Die Politiker fordern, hauptsächlich um ihrer Beliebtheit willen, dass Banken und Finanzinstitute noch stärker reguliert werden sollten als sie es jetzt schon sind.

Tatsache ist, dass der ‚Schatten-Finanzsektor‘ fast völlig unreguliert ist. Um es klar zu sagen, umfasst dieser Sektor Investmentbanken, Hedgefonds, Geldmarktfonds und ‚Structured Investment Vehicles‘ (SIV), die Gelder in großen Mengen von den internationalen Geldmärkten zu sich holen, um sie in längerfristige Wertpapiere zu investieren, die plötzlich alles andere als sicher sein können.
Die Probleme, denen diese SIVs im Jahr 2008 gegenüber standen, und die Verluste, die der Bankensektor aufgrund der damit verbundenen Darlehen erlitt, waren entscheidend an der Auslösung der wirtschaftlichen Katastrophe im Jahr 2008 beteiligt.

In Europa brauchen wir keine ‚Special Investment Vehicles‘, um Albträume zu bekommen; die kommen ganz von selbst durch politische Lethargie, Untätigkeit und Inkompetenz.

Dr. John Hulsman, einem ehemaligen CIA-Berater, zufolge gibt es vier Faktoren, die zu dem geführt haben, was er einen „terminalen Rückgang“ in der europäischen Geschichte nennt.

1. Gebermüdigkeit seitens der deutschen Öffentlichkeit. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel will im Hinblick auf die Bundestagswahl im September nicht offen über die Entscheidungen, vor denen das Land steht, sprechen. Entweder wird Deutschland, das bereits im Besitz eines großen Teils der Schulden der ärmeren Länder ist, weiterhin für die Defizite anderer Länder unbegrenzt zahlen und dafür eine höhere Inflation in Kauf nehmen, oder es sollte das Projekt Europa beenden.

2. Italienische Politikmüdigkeit. Die jetzige Koalitionsregierung von links und rechts blickt auf eine rückläufige Binnenkonjunktur. Das spiegelt die Überzeugung der italienischen Öffentlichkeit wider, dass alle etablierten Politiker Teil derselben eigennützigen Elite sind. Trotzdem finden langweilige Technokraten aufgrund mangelnder Persönlichkeit wenig oder gar keine Unterstützung beim Volk.

3. EU-Müdigkeit im Vereinigten Königreich. David Cameron, der Premierminister, hat wenig Unterstützung von seiner eigenen Partei, wenn es um Europa geht, und ebenso wenig Unterstützung seitens der Europäer, wenn es um die Neuverhandlung von Großbritanniens Rolle in der EU geht. Die britische Öffentlichkeit hat den Glauben an die Kompetenz der europäischen Politiker verloren und die britische Opposition ist, wenn überhaupt, noch mehr gegen die EU-Mitgliedschaft als die Regierung selbst.

4. Realitätsmüdigkeit in Frankreich. Präsident Hollande ist nun zutiefst unbeliebt, weil das Volk während seines Wahlkampfs, das damals augenscheinlich unbedingt in die Irre geführt werden wollte, tatsächlich in die Irre geführt wurde, und die französische politische Elite auch nur die leiseste Andeutung einer Strukturreform fürchtet. Nichts kann in Frankreich geändert werden, weil immer noch die weitverbreitete Überzeugung herrscht, dass Sparmaßnahmen, und zwar in jeglicher volkswirtschaftlicher Form, nicht das Problem der Franzosen sind. Die Franzosen wollen die Wahrheit nicht hören und ihre Politiker haben zu viel Angst, sie ihnen ins Gesicht zu sagen.

Es steht fest, dass Investitionen in die Staatsanleihen europäischer Regierungen potenziell katastrophal enden können. Es gibt Investoren, die glauben, dass die kleine zusätzliche Marge, die sie auf Investitionen in spanische oder italienische Anleihen erhalten, es wert ist, an diese zu glauben. Die griechischen Schulden sind bereits vollständig auf die EZB übergegangen. In Wirklichkeit wurden diese zusätzlichen Margen künstlich niedrig gehalten. Sie sollten in Wirklichkeit sehr viel höher sein. Gesetzt den Fall die Politik ändert sich und der nördliche Block ist nicht mehr bereit, die Olivenöl-Staaten zu unterstützen, und die EZB kann sich daher nicht mehr auf die politische und finanzielle Unterstützung Deutschlands verlassen, werden die Preise für die südländischen Staatsschulden, die nicht bereits im Besitz der EZB sind, zusammenbrechen.

Jedoch gibt es immer noch hervorragende exportgetriebene Unternehmen unter anderem in Europa, deren Aktien die Märkte dynamisch antreiben.

Ich kann gar nicht genug betonen, dass qualitativ hochwertige Aktien, die von erfahrenen Fondsmanagern mit erfolgreichem mehrjährigen Track Record ausgewählt wurden, die neuen sicheren Häfen für Investoren sind.

Aus dem Englischen von Magdalena Adam